Dienstag, 3. Dezember 2013

3. Türchen

Schwarzer Glanz glomm aus steinernen Augen. Der unheimliche Wasserspeier ragte mächtig am oberen Ende rechts der Treppe empor, als bewache er den Zutritt zur Galerie im ersten Obergeschoss. Eine steile Falte bildete sich über seiner markanten Nasenwurzel, während sich seine Augen verengten und mit stechendem Blick erfassten, was sich in der Eingangshalle abspielte. Im nächsten Augenblick erlosch der Glanz. Die Augen wurden wieder zu Stein und die Mimik glitt geräuschlos zurück in die Form, die er mit jedem der im Hause zahlreich vorhandenen Wasserspeier teilte.

Max hatte nicht zu viel versprochen. In der warmen Küche herrschte eine ganz andere Atmosphäre. Alles war zwar ebenfalls in schummriges Halbdunkel getaucht, hier verbreitete es jedoch nichts als Gemütlichkeit und Wärme. Im Holzofen brannte ein munteres Feuer und auf dem ausladenden Holztisch stand ein großer Teller voll duftender Butterplätzchen, daneben drei große Becher. „Ich habe einen Bärenhunger!“, stellte Zimt auf der Stelle fest und ließ sich auf einem rustikalen Holzstuhl fallen. „Das geht mir auch so!“ Sternchen machte es sich ebenfalls bequem und schnupperte in Richtung des frischen Gebäcks. „Da seid ihr ja“, erklang eine freundliche Stimme und hinter dem Herd tauchte eine ältere rundliche Bärendame auf. Sie strich sich die Haare zurück, die sich aus der locker hochgesteckten Frisur gelöst hatten und hob einen dampfenden Topf vom Herd. „Willkommen bei uns! Es freut mich sehr, dass ihr Max in diesem Advent Gesellschaft leisten wollt.“ Mit herzlichem Lächeln füllte sie den Inhalt des Topfes sorgsam in die Becher, aus denen sofort der Duft von süßer Honigmilch emporstieg. „Stärkt Euch erst einmal“ fuhr Thea fort, „Und während ihr es euch schmecken lasst, verrate ich euch ein wenig von mir und dem, was euch hier erwartet. Wie ich Max kenne“, hier warf sie Max einen nicht ganz ernst gemeinten tadelnden Blick zu, „hat er darüber nämlich noch nicht viele Worte verloren.“

Zimt und Sternchen hatten nichts gegen den Vorschlag einzuwenden. Jetzt, wo sie sich in so gemütlicher Umgebung niedergelassen hatten, merkten sie erst, wie erschöpft sie tatsächlich waren - die Reise war anstrengender gewesen, als beide gedacht hatten. So ließen sie sich die Plätzchen schmecken und lauschten Theas Worten. Sie berichtete den Bären davon, wie sie vor vielen Jahren ihre Stelle als Haushälterin dieses herrschaftlichen Anwesens antrat. Dabei erfuhren die beiden bald, dass damals ein freundlicher Ton im Hause herrschte. Thea gab sich keine große Mühe zu verbergen, dass sich dies inzwischen ziemlich geändert hatte und Zimt und Sternchen wussten ohne zu fragen, was damit gemeint war. Langsam löste sich die Anspannung von der langen Reise und den ersten Eindrücken hier im Hause, die die beiden Bären  ehrlich gesagt immer noch nicht recht einordnen konnten. Es blieb ein Rest ungutes Gefühl, aber das war sicher der Müdigkeit geschuldet, die sich langsam in ihnen ausbreitete. Morgen würde alles anders aussehen, da waren die beiden sich sicher.
  
Thea erhob sich und griff nach dem Topf, den sie vor sich abgestellt hatte. „Und nun lasst euch von Max euer Zimmer zeigen! Ich hoffe, dass ihr euch hier wohlfühlt!“ Sie beugte sich kurz zu den Bären herunter senkte die Stimme: “Advent ist hier nämlich immer so eine Sache!“ „Die Herrschaft wünscht zu erfahren, wann das Abendessen serviert wird!“ erklang es im gleichen Moment heiser und streng von der Küchentür. Der Butler war eingetreten, ohne dass es jemand bemerkt hatte. Schnell richtete Thea sich auf und strich sich die Schürze glatt. „Um sieben Uhr, wie immer!“ antwortete sie knapp und trug den Topf mit raschen Schritten zurück zum Herd. Zimt und Sternchen sahen sich ein weiteres Mal mit großen Augen an. Das gleiche mulmige Gefühl, das sie beim Betreten des Hauses überkommen hatte, breitete sich in ihrer Bauchgegend aus. Das würde ja ein Advent werden, dachten sie gleichzeitig, während sie mit Max die Küche verließen.

Max schob sich das stets zerzauste rote Haar aus der Stirne, während sie die Küchentür hinter sich zuzogen. Langsam durchquerten die drei Bären die große, sparsam beleuchtete Eingangshalle. „Ganz ehrlich“, setzte Zimt an, „Thea ist eine Seele von Bär.“ Sternchen nickte zustimmend, „und ihre Plätzchen und die Honigmilch waren einfach göttlich“, ergänzte sie, während sie sich den letzten Krümel vom Schnäuzchen wischte. „Aber“, ergriff Zimt wieder das Wort „euer Butler ist ein echter Fall für sich. Benimmt er sich immer so?“ „Nehmt ihn einfach nicht ernst“, versuchte Max zu beruhigen. „das ist alles gar nicht schlimm. Eigentlich sind hier alle sehr nett“, fuhr er mit leiser Stimme fort. Die beiden Bärengesichter ließen jedoch Zweifel an dieser Aussage erkennen. „Er ist eben keinen Besuch gewohnt – das wird sich schon finden, macht Euch keine Sorgen!“, fügte Max an und grinste bemüht zuversichtlich. Mit den Worten zog er die beiden Bären zu der breiten Treppe, die ins Obergeschoss führte. „Und nun zeige Euch erst mal euer Zimmer!“

2 Kommentare:

  1. Hoffentlich sind die Zimmer ähnlich gemütlich wie die Küche! Gut dass Thea im Haus ist. Aber da wollen wir Max mal glauben, dass der erste Eindruck täuscht und der gruslige Butler ganz ganz tief in seinem Inneren vielleicht doch ganz nett ist... *seufz*
    So... nun heisst es doch warten wie es weiter geht...
    Liebe Grüße
    Melli

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  2. Wir schließen uns Melli an - hoffentlich sind die Zimmer ähnlich gemütlich wie die Küche und Gargoyle-frei... Im Zweifelsfall müssten Zimt und Sternchen während ihres Aufenthaltes bei Thea in der Küche bleiben... aber zum Glück für uns werden sie das ja nicht tun und wir werden dadurch erfahren, was es mit dem düsteren Haus auf sich hat... und warum man dort die Adventszeit nicht mag...

    Liebe Grüße
    Flutterby und Birgit

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