Samstag, 14. Dezember 2013

14. Türchen


Max war von der aktuellen Wetterlage ganz begeistert. Er hatte sich schon ernsthafte Sorgen gemacht, dass seine beiden Freunde nun die Rückkehr in ihre Bärenhöhle antreten würden und ganz verdenken könnte er es ihnen auch gar nicht. Dieses große alte Haus war einfach alles andere als gemütlich und sein guter Onkel tat das Seinige dazu, den Aufenthalt nicht sonderlich angenehm ausfallen zu lassen. Max wusste sich selbst nicht, wie der Onkel so mürrisch, stur und herrisch werden konnte. Zwar hatte er ihn selbst nie wirklich freundlich erlebt, er hatte seinen Onkel in jungen Jahren jedoch auf alten Fotos gesehen und da machte er einen ganz anderen Eindruck. Max hatte die dicken staubigen Alben oft durchgeblättert – gerade im Winter blieb ihm in dem alten Gemäuer und bei seinem tyrannischen Onkel kaum etwas anderes übrig. Inzwischen hatte Onkel Drako das Betreten des Dachbodens ebenfalls verboten, die Tür war stets verschlossen und inzwischen schon von einigen Spinnweben und Staub bedeckt. Man konnte daran gut sehen, dass der große rostige Schlüssel nicht mehr zum Einsatz kam. Schon seit langem lag er gut verwahrt in der Schreibtischschublade in Onkel Drakos Arbeitszimmer. Damals jedoch durfte Max sich noch auf dem Dachboden aufhalten. Er verkroch sich gerne mit etwas Proviant in den hintersten Bereich des riesigen Dachbodens und machte lange Ausflüge in vergangene Zeiten, die durch die Fotos vor ihm lebendig wurden. Veränderte sich jeder so, wie er es bei Onkel Drako erlebte, durchs Älterwerden? Nein, das wollte Max nicht ernsthaft glauben. Er straffte die Schultern und schob die Gedanken beiseite, setzte ein möglichst fröhliches Lächeln auf und machte sich auf den Weg zu Zimt und Sternchen. Heute würde ein schöner Tag werden! Ganz sicher!
Max fand seine Freunde im Esszimmer. Der Raum war zu der frühen Stunde noch eisig kalt, das kleine Feuer brannte noch nicht lange und es würde große Mühe haben, den Raum mit einer einigermaßen gemütlichen Temperatur zu versorgen. Zimt und Sternchen hatten ihre Schals fest um den Hals geschlungen und nippten an dem süßen Honigtee, mit dem Thea sie schon vorm Frühstück versorgt hatte. Heute sollte es nur ein kleines Frühstück geben, das die Bären bei Thea in der Küche einnehmen durften – immerhin begann der Tag zumindest in dieser Hinsicht vielversprechend, obwohl vor allem Zimt nach einem Blick in den unter Schnee völlig begrabenen Garten gerade gar keinen rechten Appetit hatte. Bis zum Frühstück war noch ein wenig Zeit und so kuschelten sich die Bären aufs Sofa und sahen den mageren Flammen im Kamin zu, die scheinbar nur mit großer Mühe an den Holzscheiten emporzüngelten. An Aufbruch war nun nicht mehr zu denken, das stand eindeutig fest. Sie würden wohl noch mindestens ein paar Tage hier bleiben müssen und diese Aussicht war alles andere als angenehm. Noch neun Tage bis Weihnachten…  
„Hat diese schöne Uhr eigentlich jemals funktioniert?“ wandte sich Sternchen plötzlich an Max. Der warf einen raschen Blick zu der Uhr, die wie immer völlig bewegungslos und stumm an ihrem Platz hing. „Ich habe keine Ahnung“, antwortete er nach kurzem Zögern. „Thea hat aber erzählt, dass schon alle möglichen Anstrengungen unternommen wurden, um sie wieder instand zu setzen. Es sind sogar schon richtige Spezialisten hier gewesen – alles ohne Erfolg.“ „Leider“, fügte Thea an, die gerade leise den Raum betreten hatte, „denn diese Uhr soll früher fast das Herzstück dieses Hauses gewesen sein. Ihr Ticken hat seit jeher den Tagesablauf in Hause begleitet und war auch Hauptbestandteil einiger Rituale, die in dieser Familie hier Tradition hatten. Zum Beispiel Sylvester: da haben sich alle Bewohner des Hauses vor Mitternacht hier um die Uhr versammelt, die dann sozusagen feierlich das neue Jahr eingeläutet hat. Jeder im Dorf kannte den Klang der Uhr und auch ihren Stundenschlag, denn früher war dies ein geselligerer Ort und die Tür stand allen an vielen Anlässen offen. Und alle, die die Uhr einmal gehört hatten, waren ganz berührt von ihrem Klang. Wann die Uhr genau stehen geblieben ist, kann keiner mehr sagen. Irgendwann hat sich eben alles verändert – die Bewohner, das Personal, na ja, und eines Tages verstummte das beruhigende leise Ticken der Uhr und ihr tiefer freundlicher Stundenschlag. Wie gesagt, als dies bemerkt wurde, versuchte Onkel Drako eine Weile mit großem Engagement, die Uhr wieder zum Laufen zu bringen. Nach und nach ließen die Bemühungen jedoch nach“, hier lachte Thea traurig auf, „denn die Ahnenforschung ist nun mal viel wichtiger. So ist die Uhr nun eben nur noch ein weiteres trauriges Relikt aus alter Zeit.“ Thea hob die Hände zu einer bedauernden Geste, aber Sternchen hatte ein begeistertes Funkeln in den Augen. Sie sprang vom Sofa auf und sah Thea fest an. „Hey, Zimt ist ein richtiger Profi beim Reparieren solcher technischen Dinge. Er hat schon viele Apparate und Geräte wieder zum Leben erweckt, auch ein paar Uhren waren darunter. Was meinst Du, darf er vielleicht versuchen, die Uhr wieder heile zu machen?“ Euphorisch wandte sie sich an Zimt „Würdest Du es versuchen?“ Sternchen überschüttete beide Bären mit bittenden Blicken und es war nur dem Auftauchen des Butlers geschuldet, dass die Antwort ein wenig auf sich warten ließ. Der Herr erwarte sein Frühstück, waren die knappen Worte, mit denen er den Raum sogleich wieder verließ. Thea verdrehte die Augen und folgte dem Butler, um ihm das Frühstückstablett zu übergeben. Der Herr des Hauses pflegte sein Frühstück nämlich inzwischen wieder in seinem Arbeitszimmer einzunehmen – nun ja, dagegen hatte hier unten wirklich niemand etwas einzuwenden und kurz darauf saßen die drei Bären bei Thea in der gemütlichen Küche und ließen sich ein köstliches Frühstück schmecken.

3 Kommentare:

  1. Ich glaube nicht, dass alle grummelig werden wenn sie alt werden. Mein Papa ist auch schon ganz schön alt und trotzdem noch total lieb.
    Bestimmt krieg Zimt die Uhr wieder zum laufen und das freut dann bestimmt sogar den "alten Drachen"
    Liebe Grüße
    Shania

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  2. Jahaaaa... her mit dem Werkzeug, lasst Zimt ran an die Uhr! Nicht nur, weil es für ihn dann weniger schlimm ist in dem düsteren Haus und die Zeit schneller vergeht... aber es wird bestimmt gleich viel schöner, wenn diese besondere Uhr wieder tickt und tönt, da sind wir uns ganz sicher.

    Liebe Grüße
    Flutterby und die uralte Birgit (die sich kringelig gelacht hat über Shanias Kommentar... weil sie deren Papa nämlich kennt und der sogar noch einen Ticken jünger ist als sie selbst... *grins*)

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  3. Ja, ich glaube auch, dass die Reperatur der Uhr Zimt von der frostigen Stimmung ablenkt und offensichtlich scheint die derm Onkel ja wichtig zu sein. Das hilft den Bären bestimmt ein paar Pluspunkte bei Onkel Draco zu sammeln. Vielleicht erlaubt er so milde gestimmt dann doch noch ein bisschen Weihnachtsdeko
    Liebe Grüße
    Melli

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